Previous report Berliner Gerichts-Zeitung - Tuesday, May 28, 1895
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Vermischtes.

Der wegen Verbrechens gegen die Sittlichkeit am Sonnabend zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilte Londoner Schriftsteller Oskar Wilde wird nebst seinem zu gleiche Strafe verurteilten Mitschuldigen Alfred Taylor den ersten Teil seiner Strafe im Zuchthause von Pentonville in London abbüßen. Noch am Sonnabend Abend wurden beide dorthin abgeführt. Gesondert wurden sie in das Aufnahmezimmer gebracht. Jeder hatte die nötigen Personalien mitzuteilen und sich einer ärztlichen Untersuchung zu unterwerfen. Dann mußten beide ein Bad nehmen, sich rasieren und scheren lassen und den Sträflingsanzug anlegen. Am Sonntag hatten beide dem Gefängnisgottesdienste mit den anderen Sträflingen beizuwohnen. Sie blieben die übrige Zeit bis auf die Stunden, wo den Insassen körperliche Bewegung im Gefängnishofe gegeben wird, in ihren Zellen. Einstweilen werden sie strenge Einzelheit durchzumachen haben, bis ihre Gesundheit es nicht weiter mehr gestaltet. Dann wird der Gefängnisarzt entscheiden, in welcher Weise sie beschäftigt werden sollen. Nur vier Mal das ganze Jahr dürfen sie den Besuch ihrer Verwandten und Bekannten empfangen. Ist ihr Betragen nicht das richtige, so werden sie auch dieses Vorrecht verwierken. Was das Urteil angeht, so erteilte der Richter das höchste für dergleichen Vergehen gegen die Sittlichkeit in England zulässige Strafmaß von zwei Jahren Zuchthaus. Richter Pius erklärte, daß seines Erachtens nach die Strafe für dergleichen Vergehen viel zu gering sei. Es ist deshalb wohl möglich, vielleicht wahrscheinlich, daß demnächst ein Antrag im Parlament gestellt wird, die Strafe für Sittlichkeitsvergehen zu erhöhen. Daß sich bei dem ganzen traurigen Prozeß viel hinter den Kulissen abgespielt hat, unterliegt keinem Zweifel.

miscellany

The London writer Oskar Wilde, who was sentenced to two years in prison on Saturday for crimes against morality, will serve the first part of his sentence in Pentonville prison in London together with his accomplice Alfred Taylor, who has been sentenced to the same sentence. Both were taken there on Saturday evening. They were taken separately to the recording room. Everyone had to provide the necessary personal details and submit to a medical examination. Then both had to take a bath, be shaved and clipped, and put on the prison suit. On Sundays both had to attend prison services with the other convicts. They remain in their cells the rest of the time, except for the hours when inmates are given exercise in the prison yard. For the time being they will have to go through severe detail until their health no longer supports it. Then the prison doctor will decide how they should be employed. They are only allowed to receive visits from their relatives and friends four times a year. If their conduct is not right, they will also forfeit this privilege. As to the verdict, the judge handed down the maximum penalty for such offenses against morality in England, which was two years' imprisonment. Judge Pius declared that in his opinion the punishment for such offenses was much too light. It is therefore quite possible, perhaps probable, that a motion will soon be made in Parliament to increase the penalties for moral offences. There is no doubt that much happened behind the scenes in the whole sad trial.

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