Wiener Zeitung - Friday, May 31, 1895

(Harte Strafe.) Aus London, 27. d. M., wird geschrieben: Oskar Wilde und Taylor sind wegen ihrer Verbrechen zu harter Arbeit (hard labour) verurtheilt worden. Nachdem sie im Gefängnisse von Pentonville im Norden von London gebadet und gewogen worden, wurde ihnen die Sträflingskleidung angelegt, und sie mußten in die Tretmühle eintreten. Es ist ein Riesenrad, dessen Halbmesser vier Meter lang sind und dessen Peripherie in Zellen eingetheilt ist. In jede kommt einer der Verurtheilten und muß sich an seinen beiden Händen, die in zwei Ringen stecken, aufhängen, um mit seinem Gewichte zum Gange des Rades beizutragen, das er in seiner Zelle nicht einmal siebt. Wenn er sich sträubt, erhält er vom Aussetzer einen Peitschenhieb; wenn er aus. hört, erhält er vom Rade einen starken Stoß an die Füße; wenn er strauchelt, so riskirt er einen Beinbruch. Weigert er sich ganz und gar, so erhält er die neunschwänzige Katze. Mehr als drei Stunden am Tag dürfen die Sträflinge nicht in die Tretmühle gebracht werden. Die Arbeit ist aber auch, namentlich für den Neuling, so ermüdend, daß man ihm allemal nach einer Viertelstunde fünf Minuten Ruhe gönnen muß. Außerdem müssen die Verurtheilten gebrauchte Taue der Marine in Werg auslösen, eine Arbeit, bei der man die Hände ausreißt, so daß sie bluten.

Das Vaterland - Saturday, June 1, 1895

[Englische Justiz.] Zwei dunkle Ehrenmänner, Oscar Wilde und Taylor, welche durch einige Wochen eine gewisse Presse in Athem erhielten, sind vor einigen Tagen in London wegen schwerer Sittlichkeitsverbrechen zu harter Arbeit (hard labour) verurtheilt worden. Nach ¬dem sie im Gefängnisse von Pentonville im Norden von London gebadet und gewogen worden, wurde ihnen die Sträflingskleidunq angelegt und sie mußten in die Tretmühle eintreten. Es ist ein Riesenrad, dessen Halbmesser 4 Meter lang ist und dessen Peripherie in Zellen eingetheilt ist. In jede kommt einer der Verurtheilten und muß sich an seinen beiden Händen, die in zwei Ringen stecken, aufhängen, um mit seinem Gewicht zum Gange des Rades beizutragen, das er in seiner Zelle nicht einmal sieht. Wenn er sich sträubt, erhält er vom Aufseher einen Peitschenhieb; wenn er aufhört, erhält er vom Rad einen starken Stoß an die Füße; wenn er strauchelt, so riskirt er einen Beinbruch. Weigert er sich ganz und gar, so erhält er die neunschwänzige Katze. Mehr als drei Stunden am Tage dürfen die Sträflinge nicht in die Tretmühle gebracht werden. Die Arbeit ist aber auch, namentlich für den Neuling, so ermüdend, daß man ihm alle ¬mal nach einer Viertelstunde -fünf-,-Minuten Ruhe gönnen muß. Außerdem müssen die Verurtheilten gebrauchte Taue der Marine in Werg auflösen, eine Arbeit, bei der man die Hände aufreißt, so daß sie bluten. Die Kost ist sehr gering, die Aufseher sind angewiesen, dafür zu sorgen, daß das Gewicht abnimmt, weil der Zweck dieser Strafe sein soll, ihnen einen Theil ihrer Kraft und Lebensfähigken zu nehmen. — Wie man sieht, äußert sich der so gepriesene „praktische Sinn” der Engländer auch auf dem Gebiete der Criminaljustiz, hoffentlich nicht ohne Erfolg!

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