Tagesneuigkeiten.

(Oscar Wilde im Zuchthaus.) Nach der Verurtheilung des Dramatikers Oscar Wilde brachten die Blätter Mittheilungen über die schreckliche englische Zuchthausbehandlung, die der ehemalige Liebling der Londoner Gesellschaft erdulden müsse. Gerüchte haben vermeldet, Wilde sei infolge derselben bereits todsüchtig geworden und habe in die „Gummizelle” gebracht werden müssen. Das wollte die Zuchthausverwaltung nicht auf sich sitzen lassen und deshalb stellte sie den Sachverhalt richtig. Nach seiner Einlieferung in Pentonville wurde Wilde einer Untersuchung durch den Anstaltsarzt unterzogen, der das Haupt der englischen „Decadents” als für „Zwangsarbeit erster Klasse” tauglich erklärte. Das bedeutet neben sonstiger anstrengender Thätigkeit täglich sechs Stunden Tretmühle. Nun erhielt Wilde die erste Dosis „Zuchthausmedicin”, das ist, eine für alle Gefangenen vorgeschriebene Menge von Bromkalium, das niederschlagend und nervenberuhigend wirken soll: eine Menge, die in der ersten Zeit der Gefangenschaft recht beträchtlich ist und dann im weiteren Verlauf abgeschwächt wird, Wilde nahm seine Dosis willig; sie war aber so stark bemessen, daß er am vierten Tage nach seiner Einlieferung unter Vergiftungs-Erscheinungen so heftig erkrankte, daß man für sein Leben fürchtete und ihn in die Krankenabtheilung ins Bett schickte, wo er zwei Tage und zwei Nächte lang keinen Augenblick aus den Augen gelassen wurde, weil man wegen der gleichzeitig auftretenden starken Melancholie einen Selbstmordversuch befürchtete. Die Brokaliumdosen wurden natürlich eingestellt und so erholte sich Wilde wieder, behielt aber seine Schwermuth und wurde deshlab unter die Zwangsarbeiter zweiter Klasse versetzt. Für diese kommt die Tretmühle in Wegfall und wird durch Tauendzupfen ersetzt. Wilde´s Lebensweise ist jetzt folgende: Um sechs Uhr Morgens Aufstehen und Auswaschen seiner Zelle. Um sieben Uhr Frühstück, bestehend aus Cacaowasser und Brot, eine Stunde Bewegung im Freien und Rückkehr zur Isolirzelle, wo bis zwölf Uhr Tauenden zu Werg zerzupft werden. Das Mittagessen besteht abwechselnd aus Suppe oder Speck mit Bohnen; einmal in der Woche erhält der Gefangene kaltes Fleisch. Von halb ein Uhr Nachmittags bis sechs Uhr Abends wird wieder Werg bereitet, dann Abendessen, bestehend aus Thee und Brot, um 7 Uhr Abends Schlafenszeit. Wilde erhält eine bestimmte Menge Tauenden zugewiesen, die er täglich verarbeitet muß; er darf mit keinem Menschen sprechen und befindet sich mit Ausnahme der einen Stunde Bewegung im Freien vollständig in Isolirhaft. Er darf viermal im Jahre Besuch von Freunden erhalten, jedoch kann die Zuchthausbehörde die Erlaubniß zu diesen Besuchen, ohne zur Angabe von Gründen verpflichtet zu sein, vorenthalten. Bei Wilde's Genossen Taylor haben sich infolge der Zuchthausbehandlung bereits so schwere Zeichen von Herzerkrankung gezeigt, daß Taylor ebenfalls in die Krankenstation gebracht werden mußte.

Die englischen Zuchthäuser. Aus London schreibt man der „Boss. Ztg.”: John Most, der ehemalige Reichstagsabgeordnete und Anarchist, ist ein Fachkundiger in Zuchthausangelegenheiten. Nachdem er die Staatsgefängnisse und Zuchthäuser so ziemlich aller Herren Länder mit eigenem Leibe durchgekostet hatte, konnte er auf Grund seiner Erfahrungen erklären, daß die englische Zuchthausbehandlung die allerniederträchtigste sei. Ein mit beispielloser Gemeinheit geschriebener Artikel über die Ermordung Kaiser Alexanders II. trug Most zwölf Monate harter Arbeit ein. Zwölf Monate Tretmühle und Tauendenzupfen genügten, um ihn zu bestimmen, für alle Zeiten freiwillig dem freiheitlichen England den Rücken zu kehren. An diese Most’chen Erfahrungen muss man unwillkürlich denken, liest man, wie jetzt in Pentonville mit Oskar Wilde, dem jüngst zu zwei Jahren harter Arbeit verurteilten Dramatiker und Exliebling der hohen Londoner Gesellschaft, umgesprungen wird. Gerüchte hatten vermeldet, Wilde sei bereits todsüchtig geworden und habe in die „Gummizelle” gebracht werden müssen. Das wollte die Zuchthausverwaltung nicht auf sich sitzen lassen und deshalb stellte sie den Sachverhalt richtig. Nach seiner Einlieferung in Pentonville wurde Wilde einer Untersuchung durch den Anstaltsarzt unterzogen, der das Haupt der englischen „Decadents” als für „Zwangsarbeit ersten Klasse” tauglich erklärte. Das bedeutet neben sonstiger anstrengender Tätigkeit täglich sechs Stunden Tretmühle. Nun erhielt Wilde die erste Dosis „Zuchthausmedizin”, das ist eine für alle Gefangenen vorgeschriebene Menge von Bromkalium, das niederschlagend und nervenberuhigend wirken soll; eine Menge, die in der ersten Zeit der Gefangenschaft recht beträchtlich ist und dann im weiteren Verlauf abgeschwächt wird. Wilde nahm seine Dosis willig; sie war aber so stark bemessen, daß er am vierten Tage nach seiner Einlieferung unter Vergiftungserscheinungen mit unablässiger Diarrhoe so heftig erkrankte, daß man für sein Leben fürchtete und ihn in die Kranken-Abteilung ins Bett schickte, wo er zwei Tage und zwei Nächte lang keinen Augenblick aus den Augen gelassen wurde, will man wegen der gleichzeitig auftretenden starken psychischen Prokrastination und Melancholie einen Selbstmordversuch befürchtete. Die Bromkaliumdosen wurden natürlich eingestellt, und so erholte sich Wilde wieder, behielt aber seine Schwermut und wurde deshalb unter die Zwangsarbeiter zweiter Klasse versetzt. Für diese kommt die Tretmühle in Wegfall und wird durch Tauendenzupfen ersetzt. Wilde’s Lebensweise ist jetzt folgende: Um sechs Uhr Morgens Aufstehen und Auswaschen seiner Zelle. Um sieben Uhr Frühstück, bestehend aus Kakaowasser und Brot, eine Stunde Bewegung im Freien und Rückkehr zur Isolirzelle, wo bis zwölf Uhr Tauenden zu Werg zerzupft werden. Das Mittagessen besteht abwechselnd aus Suppe oder Speck mit Bohnen; einmal in der Woche erhält der Gefangene kaltes Fleisch. Von halb ein Uhr Nachmittags bis sechs Uhr Abends wird wieder Werg bereitet, dann Abendessen, bestehend aus Thee und Brot, und um Sieben Uhr Abends Schlafenszeit. Wilde erhält eine bestimmte Menge Tauenden zugewisen, die er täglich verarbeiten muss; er darf mit keinem Menschen sprechen und befindet sich mit Ausnahme der einen Stunde Bewegung im Freien vollständig in Isolirhaft. Er darf viermal im Jahre Besuch von Freunden erhalten, jedoch kann die Zuchthausbehörde die Erlaubniss zu diesen Besuchen, ohne zur Angabe von Gründen verpflichtet zu sein, vorenthalten. Bei Wildes Genossen Taylor haben sich n Folge der Zuchthausbehandlung bereits so schwere Zeichen von Herzerkrankung gezeigt, daß Taylor ebenfalls in die Krankenstation gebracht werden musste.

daily news.

(Oscar Wilde in prison.) After the conviction of the playwright Oscar Wilde, the papers carried reports of the dreadful English penitentiary treatment endured by the former darling of London society. There were rumors that Wilde had already become addicted to death as a result and had to be put in the “rubber cell”. The prison administration did not want to put up with this and therefore corrected the situation. After his admission to Pentonville, Wilde was subjected to an examination by the prison doctor, who declared the head of the English "Decadents" to be fit for "first-class forced labour". In addition to other strenuous activity, that means six hours of treadmill work every day. Now Wilde received the first dose of "prison medicine," that is, a prescribed amount of potassium bromide for all prisoners, said to have a depressant and calming effect on the nerves: an amount which is quite substantial in the early period of imprisonment, and is then diminished as it progresses, Wilde took his dose willingly; but it was so severe that on the fourth day after his admission he became so ill with symptoms of poisoning that his life was feared and he was sent to bed in the infirmary, where he did not sleep for a moment for two days and two nights Eyes were left unattended because one feared a suicide attempt because of the strong melancholy that appeared at the same time. The doses of bropotassium were of course stopped, and so Wilde recovered, but retained his melancholy, and was therefore transferred to the second-class forced labourers. For these, the treadmill comes into omission and is replaced by rope plucking. Wilde's way of life now is as follows: getting up at six in the morning and washing out his cell. At seven o'clock breakfast consisting of cocoa water and bread, an hour's exercise in the open air and return to the isolation cell, where rope ends are pulled into tow until twelve o'clock. Lunch consists of alternating soup or bacon with beans; once a week the prisoner receives cold meat. From half past twelve in the afternoon until six in the evening tow is prepared again, then supper, consisting of tea and bread, at 7 in the evening bedtime. Wilde is allotted a certain amount of rope ends that he has to process every day; he is not allowed to speak to anyone and is completely isolated except for one hour of outdoor exercise. He may have four visits a year from friends, but the prison authorities may withhold permission for these visits without being obliged to give reasons. Wilde's comrade Taylor, as a result of being treated in prison, had already shown such serious signs of heart disease that Taylor too had to be taken to the infirmary.